Entscheidungstool Pro-und-Contra-Liste
Das überforderte Gehirn
Eine wichtige Entscheidung steht an. Und hast du nicht gesehen, haben wir schon eine Meinung dazu. Dabei kann es um Geld gehen: um einen Kauf, eine Investition, ein Abo. Um Beruf, Karriere, Partnerwahl oder was immer.
Hier ist das Problem: Hirnforscher haben gezeigt, dass wir ein schnelles und ein langsames Hirn-System haben, die unsere Entscheidungen treffen. Das schnelle System heißt so, weil es innerhalb von Sekundenbruchteilen anspringt und blitzartig seine Entscheidung trifft. Das langsame, das logisch abwägende System, springt viel später an und läßt sich Zeit.
Da die Entscheidung bis dahin aber schon getroffen ist, und unser Verstand keine Widersprüche mag, bleibt dem langsamen System nur noch eins zu tun. Es lebt seine Passion fürs Analysieren und Verknüpfen aus: es sucht und findet Gründe, warum die schnelle Entscheidung genau die richtige ist. Und wenn daran jemand zweifelt, argumentiert es bis zum Sonnenuntergang.
Die Folgen schlecht reflektierter Entscheidungen
Um solche Folgen geht es jeden Tag in den Nachrichten und den sozialen Netzwerken. Um echte und vermeintliche Fehlentscheidungen in Unternehmen, der Politik, der Verwaltung, von Prominenten und ganz normalen Menschen.
Das bedeutet nun nicht, dass über die schlechten Entscheidungen nicht lang und breit debattiert worden wäre. Natürlich wurde es das. Es bringt nur nicht mehr viel. Die schnellen Systeme der Beteiligten haben ihre Entscheidung getroffen und es geht nur noch darum, die Standpunkte zu verteidigen. Nicht darum, gemeinsam abzuwägen, dazu zu lernen und zur besten Entscheidung zu kommen.
Um es gleich zu sagen: Alle Entscheidungen sorgfältig abwägend zu treffen ist keine realistische Option. Wir kämen morgens nicht aus dem Haus, weil schon die Entscheidungen für Kleidung und Frühstück ewig dauern würden. Die weniger wichtigen Entscheidungen müssen wir schnell treffen. Entweder aus dem Bauch heraus oder nach einfachen Regeln, die wir einmal festgelegt haben.
Das schaufelt die Zeit frei, die wir für die wichtigen Entscheidungen im Leben so dringend brauchen.
Die Pro und Contra-Liste für bessere Entscheidungen
Wie schaffen wir es nun, bei wichtigen Entscheidung den Autopiloten, unseren „Schnelle-Entscheidungen-Reflex”, abzubremsen und den rationalen Hirnteil ans Steuer zu setzen?
- Wir brauchen einen Trigger, einen Auslöser. Etwas, das uns im richtigen Moment sagt: „STOP!!! System 1 (das schnelle) ins Standby gehen und System 2 (das rationale) übernimmt.
- Nun braucht System 2 eine konkrete Anweisung, was es tun soll. Wenige, einfache Schritte, denen es folgen soll. Sonst drängelt sich der Heißsporn System 1 gleich wieder vor.
Die zweite Bedingung ist einfach zu erfüllen. Das ist genau, wo die Pro-und-Contra-Liste ins Spiel kommt. Sagen Sie Ihrem System 2: „You’re in control! Mach” die Pro-und-Contra-Liste!” Oder so ähnlich.
Pro-und-Contra-Listen werden immer schriftlich gemacht. Und genau das hilft uns beim Erfüllen von Bedingung 1:
Sie müssen stets ein paar Blanko-Vorlagen für Pro-und-Contra-Listen bei sich haben. Und zwar so, dass Sie sie gelegentlich sehen. Entweder als Ausdrucke - oder als Vorlage mit Icon auf dem Desktop Ihres Computers.
Pro-und-Contra: Die Vorlage zum Download
Es wird nicht lange dauern, bis der Gedanke an Ihre Pro-und-Contra-Vorlagen bei den richtigen Gelegenheiten (also Entscheidungsproblemen) in Ihr Bewusstsein springt.
Wie schon gesagt: beschränken Sie das auf die wichtigen Entscheidungen.
Die nützliche Pro-und-Contra-Frage
Die Herausforderung liegt darin, dass wir immer nur eine Sache im Zentrum unserer Aufmerksamkeit halten können. Wenn wir mit einer wichtigen Entscheidung befasst sind, ist unser Fokus auf dem Thema der Entscheidung.
Beispiel
Unsere Gedanken kreisen um die Frage: „Sollen wir agile Methoden trainieren?”.
Die übergeordnete (Meta-)Frage: „Wie gehe ich vor, um das klug zu entscheiden?”, für die bleibt null Aufmerksamkeit, keine mentale Energie übrig.
Bevor Sie an Ihre Pro-und-Contra-Liste gehen, ist eins ganz wichtig:
Schreiben Sie auf, welchen Vorschlag, welche Maßnahme Sie bewerten wollen. Und zwar in Form einer Frage. Beginnen Sie diese Frage mit "Soll ich ..." oder "Sollen wir ...".
Argumente sammeln mit Pro-und-Contra
Für jede Ihrer Entscheidungsfragen (falls Sie mehrere haben) nehmen Sie ein Blatt Papier oder eine Seite in einem Text- oder Präsentationsdokument. Wenn Sie im Team arbeiten, können Sie natürlich mit Klebezetteln oder am Whiteboard arbeiten.
Teilen Sie Ihr Blatt in zwei Spalten. Eine Spalte bekommt die Überschrift „Pro” und die andere die Überschrift „Contra”.
Jetzt schreiben Sie in die Pro-Spalte alle Vorteile und Chancen, alle Argumente für die Entscheidung. In der Contra-Spalte listen Sie die Nachteile und Risiken auf. Wenn Sie Glück haben, gibt Ihnen die Gegenüberstellung schon die gesuchte Entscheidungssicherheit. Vielleicht, weil auf einer Seite viel mehr Argumente stehen. Oder weil die Argumente einer Seite durchweg trivial, unwichtig sind.
Pro | Contra |
---|---|
Expansionschancen | Risiko zu scheitern |
Synergien im Vertrieb | Auswirkungen auf Motivation der Mitarbeiter/innen |
Economies-of-scale | Aufweichung der Marke |
Wertvolle Patente |
Ansonsten finden Sie wie folgt heraus, welche Seite mehr Gewicht hat.
Die Argumente gewichten
Das erste Vorgehen ist recht grob. Ich empfehle es immer dann, wenn
- es darum geht, einen ersten Überblick zu bekommen – oder
- die Entscheidungssituation mit großen Unsicherheiten behaftet ist. In dem Fall bringen detaillierte, komplexe Bewertungen wenig.
Teilen Sie die Argumente in drei Kategorien ein, grob und aus dem Bauch heraus. Die Kategorien sind „wichtig”, „normal” und „nicht wichtig”. Statt der Begriffe verwenden Sie visuelle Marker, wie im Beispiel die Pfeilrichtung.
Ist die Entscheidung damit getroffen?
Falls Sie eine sehr lange Liste mit vielen Argumenten haben, kürzen Sie sie Das funktioniert so: Rechnen Sie Pros und Contras gegeneinander auf. Suchen Sie für Argumente in einer Spalte solche in anderen, die etwa gleich wichtig sind. Dann streichen Sie beide durch. Wenn Sie keine weiteren finden, nehmen Sie ein Argument und suchen in der anderen Spalte zwei oder drei, die zusammen etwa dasselbe Gewicht haben. Streichen Sie wieder die gefundenen Argumente in beiden Spalten durch. Wiederholen Sie das so oft wie möglich. Anschließend haben Sie eine übersichtliche Tabelle mit Argumenten für und gegen die Entscheidung.
Hier eine Frage, die oft gestellt wird:
Was ist, wenn das Ergebnis ein Patt zwischen Pro und Contra ist?
Antwort:
Dann lassen Sie die Münze entscheiden. Quälen Sie sich nicht. Denn offenbar haben Sie keine klare Präferenz für die eine oder andere Seite. Oder auf Deutsch: Es ist Ihnen egal.
Argumente bewerten – quantitativ, mit Zahlen
Wenn ich die Pro-und-Contra-Methode mit Entscheidern verwende, die Tabellenkalkulationen mögen, stelle ich mich natürlich darauf ein.
Beispiel 3 zeigt ein zahlenbasiertes Vorgehen. Die Anleitung dazu:
Bewerten Sie die einzelnen Argumente mit Punkten, zum Beispiel von 1 bis 5 – oder mit einer vereinfachten Fibonacci-Reihe (1, 2, 5, 10, 20, 50, 100).
Finden Sie das schächste Argument in beiden Spalten der Tabelle. Geben Sie diesem Argument, egal ob ein Pro oder ein Contra, den niedrigsten Wert, die 1.
Anschließend bewerten Sie alle anderen Argumente relativ zum schwächsten. Also: wenn Argument 15 mit 1 Punkt bewertet ist, wieviele Punkte bekommen dann Argumente 1, 2, 3 und so weiter?
Sind alle Argumente bewertet, addieren Sie die Punkte je Spalte auf und vergleichen die Summen. Die Seite mit dem höchsten Wert ist wissenschaftlich objektiv die beste Entscheidung. Ist sie natürlich nicht – aber die Zahlen geben Ihnen eine Idee.
Entscheiden zwischen mehr als zwei Optionen
Die einfache Pro-Contra-Liste funktioniert so nur, wenn es um eine binäre, eine „Tun-oder-lassen-Entscheidung” geht. Müssen Sie zwischen drei oder vier Alternativen entscheiden, wollen aber ein einfaches Verfahren einsetzen, machen Sie für jede Entscheidungsalternative eine Gegenüberstellung, eine eigene Pro-und-Contra-Liste.
Sie ziehen dann am Ende bei jeder Liste die Contra-Punkte von den Pro-Punkten ab. Die Differenz ist die Netto-Punktzahl der Alternative. Die Alternative mit der höchsten Nettopunktzahl ist Ihre bevorzugte Entscheidungsoption.
Teamentscheidungen mit Pro und Contra
Wenn eine sogenannte „multipersonale” Entscheidung, also eine Team- oder Gremienentscheidung zu treffen ist, wiederholen Sie den Ablauf mit jedem beteiligten Entscheider und jeder Entscheiderin. Dazu sollten die Personen, vielleicht mit einem nicht involvierten Moderator, allein im Raum sein. Nicht durch andere beeinflusst werden.
Übrigens gibt es ein sehr gutes, kostenloses Online-Tool für Pro & Contra-Listen vom deutschen Start-up Topikon.
Voraussetzungen für die Pro-Contra-Liste
Die Pro-und-Contra-Methode funktioniert, wenn Sie das Entscheidungsproblem in dieser Art formulieren können:
Sollen wir …
- bauen oder nicht?
- den Auftrag Anbieter A oder Anbieter B geben?
- die Produktionsanlage ersetzen oder weiter nutzen?
Viele vermeintliche Entscheidungsfragen sind eigentlich Fragen nach den Optionen, den Entscheidungsalternativen. Sie kommen zeitlich vor der eigentlichen Entscheidung – also auch vor einer Pro-und-Contraliste. Beispiele dafür:
- Wie erreichen wir unser Wachstumsziel für dieses Jahr?
- Wie binden wir die Kunden stärker an uns?
- Wie verbessern wir die Lebensqualität in Mannheim?
Fragen dieser Art lassen sich mit der ASIT-Methode perfekt beantworten. Zum Beispiel in einem ASIT-Ideenworkshop.
Die zweite Voraussetzung ist, dass die Entscheider ein gutes Verständnis der Auswirkungen der verschiedenen Alternativen besitzen. Fehlen für die Entscheidungstechnik kritische Pro- oder Contra-Argumente, können gravierende Fehlentscheidungen folgen.
Bei einer Gewichtung der Argumente ist wichtig, die Entscheidungsziele geklärt und verstanden zu haben. Worauf kommt es uns an? Was sind die wichtigsten Ziele? Was sind Ausschlusskriterien und Randbedingungen, die zu erfüllen sind. Welche Merkmale müssen erfüllt sein – oder dürfen nicht auftreten.
Entscheidungsfehler und die Pro-und-Contra-Methode
Diese Methode macht nicht immun gegen psychologische Entscheidungsfehler oder Entscheidungsmanipulation. Beispielsweise können die Beteiligten – je nach Zielsetzung – Argumente für die eine oder andere Seite nicht erwähnen – oder Argumente, die auf falschen Informationen oder Folgerungen basieren, einbringen. Der zweite Hebel für Entscheidungsmanipulationen ist die Gewichtung.
Beachten Sie dabei, dass solche Verfälschungen nicht unbedingt beabsichtigt sein müssen. Wenn wir intuitiv einer Entscheidungsalternative deutlich stärker zuneigen, kann unser Unterbewusstsein den Prozess manipulieren – und wir glauben, dass alles ganz objektiv abläuft.
Vorsicht vor Entscheidungsfallen
Gegen psychologische Entscheidungsfallen bietet die Pro-und-Contra-Liste keinen Schutz.
Nehmen wir als Beispiel die „Verfügbarkeitsheuristik”. Sie besagt, dass unsere Entscheidungen beeinflusst werden, durch Bilder und Informationen, die in unserem Gedächtnis besonders präsent sind. Meist, weil sie erst vor kurzem passiert sind oder uns emotional besonders betroffen haben.
Nehmen wir an, Sie überlegen, wie Sie einen größeren Geldbetrag anlegen werden. Eine Option wäre eine Wohnung zu kaufen und diese zu vermieten. Kürzlich haben Sie im Fernsehen eine Reportage über Mietnomaden gesehen. Diese Bilder überlagern die sonstigen Vor- und Nachteile einer solchen Anlageform. Obwohl sich das Risiko recht gut kontrollieren läßt, investieren Sie jetzt vielleicht in eine wesentlich riskantere Anlage.
In Ihrer Pro-und-Contra-Liste werden Sie wahrscheinlich …
- das Risiko von Mietnomaden geschädigt zu werden als unrealistisch hoch einschätzen.
- weitere ähnlich gelagerte Risiken dieser Anlageform finden, die Ihnen sonst nicht eingefallen wären.
- weniger Vorteile auflisten, als Ihnen ohne Kenntnis der Reportage eingefallen wären.
Regeln für die Anwendung
- Entwickeln Sie die Listen (bei beruflichen Themen) immer mit mindestens drei Beteiligten. So heben Sie verschiedene kognitive Entscheidungsfallen aus.
- Vervollständigen Sie die Listen nicht gemeinsam, sondern einzeln. Suchen Sie erst dann einen Konsens.
- Auch die Gewichtung der Argumente führen Sie besser verdeckt durch.
- Suchen Sie für Ihr Entscheidungsgremium Menschen, die das Thema verstehen aber kein Interesse am Ergebnis haben.
- Legen Sie schon vorher fest, welche Rolle das Ergebnis im Entscheidungsprozess spielt. Ist es verbindlich oder nur ein Hinweis?
Alternativen zur Pro-und-Contra-Methode
- Eine Erweiterung der Pro-und-Contra-Methode ist de Bonos PMI-Methode. Sie nutzt auch eine Tabelle mit Argumenten. Allerdings gibt es hier drei Spalten: Plus, Minus und Interessant.
- Die nächste Stufe ist die sogenannte Nutzwertanalyse oder Entscheidungsmatrix. Damit vergleichen Sie mehrere Alternativen anhand ausgewählter Kriterien.
- Mehr Infos zu Entscheidungsmethoden finden Sie auf soliddecisions.de.
Anfragen
Telefon
06204 9181 277
Trainer/Moderator
Dietmar Gamm, M.Sc. Dipl.-Ing.
Leistungen
Trainings und Workshop-Moderation für Kreativität und Innovation
Trainings und Workshop-Moderation zu professionellem Entscheiden
Ergebnisorientierte Moderation von Workshops und Besprechungen im Rhein-Main-/Rhein-Neckar-Raum